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Giffey und die Frauenquote – „Penetranz schafft Akzeptanz“

Politik-Redakteurin
Giffey und die Frauenquote – „Penetranz schafft Akzeptanz“

Familienministerin Giffey findet es inakzeptabel, dass Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert sind. Das Problem sieht sie vor allem in „männlich dominierten“ Ressorts.

Quelle: WELT/Lukas Axiopoulos

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Nicht nur in Wirtschaftsvorständen, sondern auch in Bundesministerien sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert. Familienministerin Giffey findet das inakzeptabel. Das Problem sieht sie vor allem in „männlich dominierten“ Ressorts.

Franziska Giffey (SPD) ist keine Frau für elitäre Zirkel. Und so spricht die Familienministerin bei ihrem Auftritt vor dem Historischen Museum in Frankfurt am Mittwoch die Passanten an. „Sind hier auch ein paar normale Bürger? Kommen Sie ruhig näher, das ist hier kein Closed Shop!“ Und die Leute rücken auf, hin zu den Plakaten, auf denen Dinge stehen wie „Dass die Männer die Interessen der Frauen wahren, ist Fiktion“ oder „Der reine Männerstaat ist das Verderben der Völker“.

Zitate von Helene Lange und Helene Weber – Wegbereiterin des Frauenwahlrechts die eine, „Mutter des Grundgesetzes“ die andere. Frauenrechtlerinnen, denen Giffey die Ehre erweisen will. In Frankfurt eröffnet sie die Ausstellung „Damenwahl“ und gibt den Startschuss für die Jubiläumskampagne „100 Jahre Frauenwahlrecht“, die das Familienministerium gemeinsam mit der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft ins Leben gerufen hat.

Giffeys Botschaft: Frauen könnten alles, und deshalb lohne es sich, auch 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts am 19. Januar 1919 weiter zu streiten: für gleichen Lohn, für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, für die Aufwertung sozialer Berufe. Und vor allem für die zwei Dinge, die Giffey später in der Ausstellung auf gelbe Post-its schreiben und an die Wand heften wird, die zwei feministischen Themen, die ihr am wichtigsten sind: Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Und die Förderung von Frauen in Führungspositionen.

Wer nichts will, der kriegt auch nichts, das ist so ein Motto von ihr. Aber manchmal, da sei trotz allen Wollens nichts zu kriegen, auch darauf weist Giffey hin. Das zeigt das Gesetz über die Frauenquote in der Wirtschaft: Da, wo die harte Quote greift, in den Aufsichtsräten großer börsennotierter Unternehmen, klappt es inzwischen: mindestens 30 Prozent Frauenanteil. In den Vorständen aber, wo die wahre Macht sich bündelt und nur weiche Zielvorgaben gelten: sechs Prozent. Das empört Giffey. Mit Justizministerin Katarina Barley (SPD) berät sie bereits über Sanktionsmechanismen im Handelsgesetzbuch.

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Aber auch die miese Bilanz in der Politik stört Giffey. 31 Prozent Frauenanteil im Bundestag, obwohl es in der vorangegangenen Legislatur 37 Prozent waren – ein Armutszeugnis, findet nicht nur die Frauenministerin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU)versprach angesichts dieses Ergebnisses nach der Wahl prompt, wenigstens die Regierung paritätisch mit Männern und Frauen zu besetzen. Neun Männer und sieben Frauen sind es geworden, dazu zwei Staatsministerinnen im Kanzleramt.

Im Koalitionsvertrag wurde darüber hinaus festgelegt, „die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Leitungsfunktionen des öffentlichen Dienstes bis 2025“ zu erreichen. Dem öffentlichen Dienst komme für die Gleichstellung von Frauen und Männern „eine Vorbildfunktion“ zu.

Taten allerdings folgten bislang nicht. Von den 30 verbeamteten Staatssekretären in den Bundesministerien sind aktuell fünf Frauen – ein Anteil von 16,7 Prozent. Das geht aus der Antwort des Bundesfamilienministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Auch auf niedrigeren Führungsebenen der Bundesregierung hat sich im vergangenen Jahr wenig getan. Von den 128 Abteilungen in Ministerien und Kanzleramt werden inzwischen 39 von Frauen geleitet (Quote: 30,5 Prozent), sieben mehr als vor einem Jahr. Die Zahl der Unterabteilungsleiterinnen ist im gleichen Zeitraum allerdings sogar wieder gesunken – von 81 auf 80 Beamtinnen.

Geradezu „unterirdisch“ sei der Frauenanteil in der zweiten Reihe der Bundesregierung, kritisiert Doris Achelwilm, gleichstellungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Vor allem die CSU-geführten Ministerien seien ein „Musterbeispiel an gleichstellungspolitischer Ignoranz“: Sowohl das Innen- und Heimatministerium von Horst Seehofer wie auch das Verkehrsministerium von Andreas Scheuer hätten „rein männliche Führungsriegen“ präsentiert.

In den sozialen Netzwerken sorgte das Bild von Seehofers Männertrupp für Spott und Häme. „Nicht meine Heimat!“, twitterte die Grünen-Politikerin Hannah Neumann. Ein Satireportal retuschierte eine Putzfrau in den Bildhintergrund.

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Die Gleichstellungsbeauftragte des Innenministeriums, Maria Spetter, beschwerte sich in einem scharf formulierten Brief an Seehofer über die Personalpolitik des Chefs. „Die Entscheidung, dass sich unter acht beamteten und parlamentarischen Staatssekretären keine einzige Frau findet, lässt viele Beschäftigte des BMI – weibliche wie männliche – ratlos zurück und macht sie betroffen und wütend“, schrieb Spetter. Die Personalentscheidungen verhöhnten das im Koalitionsvertrag festgehaltene Ziel der gleichberechtigten Teilhabe. „Sie sind ein klares Zeichen gegen weibliche Führung und stellen einen politischen wie gesellschaftlichen Rückschritt dar, der neue Fronten zwischen Männern und Frauen aufmacht.“

Seehofer schrieb zurück, er habe sich in den konkreten Einzelfällen „jeweils aufgrund ihrer fachlichen Expertise und ihrer langjährigen Erfahrungen in den Politikfeldern des BMI und des daraus erwachsenden persönlichen Vertrauensverhältnisses“ für die Besetzung mit den jeweiligen Staatssekretären entschieden. Darüber hinaus sei aber auch ihm die Steigerung des Frauenanteils in Führungspositionen „ein überaus wichtiges Anliegen“.

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Mit solchen Aussagen wollen sich die Frauen allerdings nicht mehr abspeisen lassen. In einem Brief an Merkel kritisierte auch der Interministerielle Arbeitskreis der Gleichstellungsbeauftragten der obersten Bundesbehörden die Personalpolitik einiger Ministerien. Diese Entwicklung sei „fatal“, heißt es. „Aus unserer Sicht ist ein Zeichen in allen Ressorts erforderlich, dass die Aussagen im Koalitionsvertrag ernst gemeint sind und die Umsetzung der Selbstverpflichtung auch oberstes Gebot des Handelns ist.“

In Giffeys Ministerium zumindest sind die Frauen auf der Führungsebene deutlich in der Überzahl. „Wir sind die Guten“, sagt Franziska Giffey. „Aber in anderen Ministerien, oft in den klassisch männlich dominierten, ist der Frauenanteil in der Führungsebene inakzeptabel niedrig.“

Der erste Brief, den sie an ihre Ministerkollegen geschrieben habe, sei der Appell gewesen, bei der Besetzung der Staatssekretärs- und Abteilungsleiterposten auf eine paritätische Besetzung zu achten, sagt die Sozialdemokratin. „Es ist aber leider nicht von allen berücksichtigt worden. Das heißt, wir müssen dranbleiben.“

Giffey mahnt: „Wir müssen immer wieder daran erinnern, dass es so nicht geht. Nur dann wird sich auch etwas verändern.“ Und dann sagt sie noch einen Satz, mit dem sie in Frankfurt Beifall erntet: „Penetranz schafft Akzeptanz.“

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Quelle: WELT/Louisa Lagé

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