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FidAR Stellungnahme zum Referentenentwurf
Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz
„Entwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“
I. Allgemeine Anmerkungen
FidAR begrüßt es sehr, dass die Bundesregierung sich die dringend notwendige Erhöhung des Frauenanteils in Spitzenpositionen der deutschen Wirtschaft und der Bundesverwaltung zu einer der zentralen Aufgaben gemacht und gesetzliche Maßnahmen hierfür auf den Weg gebracht hat. FidAR setzt sich seit 2006 konsequent für das Ziel der Erhöhung des Frauenanteils in den Führungsgremien der privaten und öffentlichen Unternehmen ein. Insbesondere ist FidAR überzeugt, dass eine gesetzliche Geschlechterquote von mindestens 30% in den Aufsichtsgremien der Unternehmen erforderlich ist, um Veränderungen herbeizuführen. Es ist notwendig, dass der Gesetzgeber endlich dem Vorbild etlicher europäischer Staaten folgt und eine Quote für die börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen gesetzlich regeln und einführen wird. Diese gesetzliche Regelung ist die entscheidende Botschaft an die Wirtschaft, weniger die Höhe der Quote.
Bereits aus dem Titel des Gesetzentwurfs wird allerdings eine wichtige Regelungslücke deutlich, die im weiteren Gesetzgebungsverfahren geschlossen werden sollte: Die Gegenüberstellung von „Privatwirtschaft“ und „öffentlicher Dienst“ lässt außer Acht, dass sich wichtige Teile des deutschen Wirtschaftslebens im Bereich der öffentlichen Unternehmen abspielen und nicht nur im privatwirtschaftlichen Sektor. Zwar weist ein Großteil dieser Unternehmen Landes- bzw. Kommunalbeteiligungen auf, aber auch der Bund ist in hohem Maß an Unternehmen, die im privatwirtschaftlichen Wettbewerb stehen, beteiligt (laut Beteiligungsbericht des Bundes 2013 hält der Bund 702 unmittelbare und bedeutende mittelbare Beteiligungen).
Auch mit Blick auf die Vorbildfunktion für Länder und Kommunen sowie darauf, dass alle europäischen Rechtsordnungen, die gesetzliche Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in Unternehmensgremien vorsehen, staatlich beherrschte Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen als private, sollte der Bund daher explizite Vorgaben für die Bundesbeteiligungen machen.
Das Ziel, den Anteil von Frauen in den Spitzenpositionen der öffentlichen Unternehmen des Bundes zu erhöhen, sollte explizit im Gesetzestitel sowie durch klare auf öffentliche Unternehmen abstellende Regelungen im Gesetzentwurf zum Ausdruck kommen. Der gewählte Ansatz, bestimmte Regelungen des Bundesgremienbesetzungsgesetzes und des Bundesgleichstellungsgesetzes auf die öffentlichen Unternehmen auszuweiten, ist hier nicht ausreichend, zumal Anwendungsbereich und Reichweite dieser Regelungen im Bereich der Bundesbeteiligungen nicht klar aus dem Gesetzesentwurf hervorgehen. Regelungen für öffentliche Unternehmen sollten dabei einerseits berücksichtigen, dass diese Unternehmen wettbewerblich handeln sollen und somit in ihrer Personalplanung und –entwicklung daher nicht analog wie Behörden zu behandeln sind. Andererseits ist es für die Glaubwürdigkeit des Regierungshandelns und die Akzeptanz der geplanten Maßnahmen für die Privatwirtschaft entscheidend, dass die öffentliche Hand ihre eigenen Unternehmen mindestens denselben (eher strengeren) Anforderungen unterwirft wie die Privatwirtschaft, soweit der Bund im föderalen System zuständig ist.
Unsere nachfolgenden Anmerkungen zu Einzelfragen des Gesetzentwurfs konzentrieren sich auf die geplanten Regelungen für die Privatunternehmen, bislang die primäre Zielgruppe des Engagements von FidAR, und hier besonders auf die geplanten Regelungen für die Aufsichtsräte.
II. Zu einzelnen Aspekten der geplanten Regelung
Soweit es um die Privatwirtschaft geht, verfolgt der Gesetzentwurf im Wesentlichen zwei Regelungsansätze: Zum einen wird eine numerisch fixe Mindestquote für die Aufsichtsräte sowohl börsennotierter als auch der paritätischen Mitbestimmung unterliegenden Aktiengesellschaften eingeführt („fixe Quote“). Zum anderen sollen alle börsennotierten oder mitbestimmten Aktiengesellschaften verpflichtet werden, sich für die Aufsichtsräte (sofern nicht von der fixen Quote erfasst), die Vorstände und die beiden Managementebenen unterhalb des Vorstands Zielvorgaben zu setzen und diese zu veröffentlichen („Zielgrößen“).
1. Zur Fixen Quote
Anwendungsbereich der fixen Quote
FidAR stimmt dem gesetzgeberischen Ansatz darin zu, dass zwar für die Vorstände und das operative Management von Unternehmen ein höherer Frauenanteil wichtig wäre, in diesem Bereich fixe Quoten jedoch derzeit nicht zielführend sind. In diesem Bereich erscheint der Weg über Zielgrößen sinnvoll. Sofern es mit diesem auf Freiwilligkeit basierenden Ansatz jedoch nicht gelingt, in nächster Zeit und nicht erst in fünf Jahren eine deutliche Erhöhung des Frauenanteils in den Vorständen und Top-Führungspositionen der Unternehmen herbeizuführen, muss auch in diesem Bereich nachjustiert werden.
Der Kreis der Unternehmen, die von der fixen Quote für die Aufsichtsräte nach dem Gesetzentwurf betroffen sein sollen, ist jedoch deutlich zu klein. So führt die Doppelvoraussetzung der Börsennotierung einerseits und der vollen Mitbestimmung andererseits zu einem verschwindend kleinen Kreis von betroffenen Unternehmen (der Gesetzentwurf geht davon aus, dass die fixe Quote nur für knapp 100 gelten wird). Vor allem aber wird dieser Ansatz der Bedeutung vieler Unternehmen nicht gerecht. Denn in der Sache muss es darum gehen, die wichtigsten – d.h. gemessen an Mitarbeiterzahl und Umsatz größten – deutschen Unternehmen zu erfassen. Diese Unternehmen sollten eine Vorreiterrolle auch im Bereich der Corporate Governance und der Vielfalt in den Aufsichtsräten einnehmen. Dadurch, dass beide Voraussetzungen, Börsennotierung und Mitbestimmung, kumulativ vorliegen müssen, fallen eine Reihe wichtiger Unternehmen aus dem Anwendungsbereich der fixen Quote heraus. Dies gilt etwa für große börsennotierte Konzerne, die als Tendenzunternehmen von der Mitbestimmung ausgenommen sind (z.B. Springer AG), oder große, mitbestimmte aber nicht börsennotierte Stiftungsunternehmen (z.B. Bosch GmbH, Bertelsmann AG) oder Familienkonzerne mit weit über 10.000 Mitarbeitern (z.B. Voith, Schaeffler). Hier wäre es aus Sicht von FidAR angebracht, alle börsennotierten (entsprechend der Definition in § 3 AktG) oder der paritätischen Mitbestimmung unterliegenden Unternehmen zu erfassen. Damit würde auch die im Gesetzentwurf angelegte sachlich nicht gerechtfertigte Ausnahme für börsennotierte Unternehmen in der Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) entfallen. Der Kreis der betroffenen Unternehmen wäre bei diesem Ansatz noch immer überschaubar, doch wären damit die in der Öffentlichkeit als wichtig wahrgenommenen Unternehmen weitgehend vollständig erfasst.
Übergangsfristen für die fixe Quote
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die fixe Quote für Neubesetzungen in den betroffenen Aufsichtsräten ab dem 1. Januar 2016 gilt. Der Ausgangspunkt des Entwurfs, nicht in die Amtszeiten bestehender Mandate einzugreifen und die Neuregelung nur für zukünftige Besetzungen zu schaffen, ist aus unserer Sicht richtig. Allerdings sollte auch die fixe Quote bereits ab dem 1. Januar 2015 gelten (vorausgesetzt, dass das Gesetz wie geplant noch im Jahr 2014 verabschiedet wird). Mit Blick auf die übliche Amtszeit von Aufsichtsratsmitgliedern von fünf Jahren (§ 102 Abs. 1 AktG) bedeutet die Übergangsregelung, dass die fixe Quote erst ab dem Jahr 2021 bei allen betroffenen Unternehmen eingeführt sein muss. Aufgrund der seit langem geführten Diskussion über die Einführung von Quoten für die Aufsichtsräte kommt diese Anforderung für die Unternehmen nicht überraschend und es ist ihnen ohne weiteres zumutbar, die Quote bereits bei Neubesetzungen ab dem 1. Januar 2015 zu berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, wenn man den sehr kleinen Kreis der nach der derzeitigen Gesetzeskonzeption betroffenen Unternehmen (s.o.) berücksichtigt. Im Übrigen könnte durch die Anwendbarkeit der fixen Quote ab 2015 verhindert werden, dass Unternehmen für das Jahr 2015 eine (vorgezogene) Neuwahl des Aufsichtsrats vornehmen, um den potentiellen Übergangszeitraum bis 2021 vollständig auszuschöpfen.
Sanktionsmechanismus „leerer Stuhl“
Die im Gesetzentwurf vorgesehene Sanktion, dass eine der Mindestquote nicht entsprechende Wahl nichtig ist, die entsprechenden Positionen im Aufsichtsrat also unbesetzt bleiben, ist aus unserer Sicht eine elegante und wirksame Sanktion. Ohne unverhältnismäßig in die unternehmerische Freiheit einzugreifen oder die Handlungsfähigkeit der Aufsichtsräte zu beschränken, macht sie sich die praktischen Funktionsmechanismen der mitbestimmten Aufsichtsräte zunutze.
2. Zu den Zielgrößen
Anwendungsbereich der Zielgrößen
FidAR stimmt dem Ansatz zu, einen größeren Kreis von Unternehmen zur Definition eigener Zielgrößen für Vorstände und Aufsichtsräte sowie die obersten Management-Positionen ab 2015 zu verpflichten. Auch wenn diese Zielgrößen zunächst freiwilligen Charakter haben und nicht mehr als eine Selbstverpflichtung darstellen, schafft diese Regelung, verbunden mit den Veröffentlichungs- und Berichtspflichten, erstmals Transparenz bezüglich der Ziele der Unternehmen zur Entwicklung von mehr Frauen in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft. Neben der Schärfung des Bewusstseins für Diversity und die Förderung von Diversity dürften viele kleinere und weniger exponierte Unternehmen diese Regelung zum Anlass nehmen, erstmals nicht nur über Frauen in Führungspositionen, sondern überhaupt über eine systematische Personalstrategie und –entwicklung nachzudenken. Eine Entwicklung, die angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels unabhängig vom Thema der (Be)-Förderung von Frauen in Führungspositionen überfällig und zwingend notwendig ist.
Umsetzung der Zielgrößen für das Management
Das gesetzgeberische Anliegen, die Unternehmen zu veranlassen, sich nicht nur für die Organe (Vorstand und Aufsichtsrat), sondern auch für die obersten Management-Ebenen Zielgrößen zu setzen, findet unsere volle Zustimmung. Durch die (Be)-Förderung von mehr Frauen in operative Top-Positionen wird der Pool erfahrener Frauen vergrößert, die sich so für Vorstands- und Geschäftsführungspositionen bzw. die Übernahme von Aufsichtsratsmandaten qualifizieren. Das Bild der Pipeline, die zügig in die Vorstandsetagen und Aufsichtsräte führt, ist hier passend.
Es ist aber zu erwarten, dass die Umsetzung der Regelung bezüglich der obersten Managementebene für viele Unternehmen im Detail Schwierigkeiten bereitet bzw. Fragen aufwirft. Zum Beispiel wird die Frage aufkommen, wie in einer Holding-Struktur Positionen in der Holding und in den operativen Tochtergesellschaften berücksichtigt werden, ob Zielgrößen nur auf die in Deutschland tätigen Beschäftigten oder das weltweite Personal bezogen werden, wie in Unternehmen mit einer extrem flachen Hierarchie zu verfahren ist, wenn die Betrachtung von zwei Führungsebenen unterhalb des Vorstands nicht sachgerecht erscheint, etc. Besonders wichtig ist es zu vermeiden, dass die Setzung und Veröffentlichung von Zielgrößen sich unabsichtlich nachteilig zulasten von Frauen auswirkt, wenn etwa die Beförderung von Managerinnen an die Spitze eines Tochterunternehmens unterlassen wird, um den Anteil von Frauen in der Konzernmutter nicht unter die für diese veröffentlichte Zielgröße sinken zu lassen.
Um diesen Fragen zu begegnen und kontraproduktive Entwicklungen zu vermeiden, plädiert FidAR dafür, den Unternehmen größtmögliche Flexibilität bei der Entwicklung der für das konkrete Unternehmen passenden Definition von Führungsebenen und der Handhabung von Konzernsachverhalten sowie der internationalen Dimension des Themas zu ermöglichen. Engmaschige und formalistische Vorgaben durch den Gesetzgeber wären hier fehl am Platz. Vielmehr sollte die Flexibilität der Unternehmen durch eine Verpflichtung zur Transparenz ergänzt werden, d.h. die Unternehmen sollten die von ihnen angewandten Kriterien und Bezugsgrößen angeben und erläutern müssen. Dieser Ansatz wird unseres Erachtens auch zu einer höheren Akzeptanz der neuen Regelungen führen. Wichtig wäre es aber auch über Formulierungen von weiterführenden Sanktionen nachzudenken, wenn die Veröffentlichung der Planzahlen und somit der öffentliche „Pranger“ als Sanktion sowie im Fall von falschen oder unterlassenen Veröffentlichungen bilanzrechtliche Sanktionen (wie für andere Fehler
oder Unterlassungen im Lagebericht) nicht ausreichen, um die Unternehmen zu überzeugen, diese freiwilligen Verpflichtungen für Zielgrößen erfolgreich umzusetzen. Diese Zielgrößenvorgaben dürfen nicht so ergebnislos bleiben wie die freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaftsverbände mit der Politik aus dem Jahr 2001.
Berlin, 6. Oktober 2014
Monika Schulz-Strelow Jutta von Falkenhausen
Präsidentin FidAR e.V. Vizepräsidentin FidAR e.V.
Den Referententwurf als PDF finden Sie hier...