Pressemitteilungen

Großbritannien stärkt Chancengleichheit in der Wirtschaft

BERICHT FORDERT 25 PROZENT FRAUEN IN BOARDS BIS 2015


  • Unabhängiger Bericht von Lord Davies zu „Women on boards“ in London vorgestellt
  • Mindestens 25 Prozent Frauen für die Boards der FTSE 100-Unternehmen bis 2015 gefordert
  • Britischer Corporate Governance Kodex soll zukünftig verbindliche Zielquoten einfordern
  • FidAR-Präsidentin: „Auch auf der Insel dreht der Wind in Richtung Gleichberechtigung. Der öffentliche Druck in Europa für mehr Frauen in Führungspositionen wächst weiter.“
  • Österreich vor Einigung für Mindestquote von Frauen in staatsnahen Betrieben

Berlin/London, 25.02.2011: Großbritannien verschärft den Druck auf börsennotierte Unternehmen, mehr Frauen in die Boards börsennotierter Unternehmen zu berufen. Bis 2015 sollen mindestens 25 Prozent der Aufsichtsräte und Vorstände in den Boards der 100 im britischer Aktienindex Financial Times Stock Exchange Index (FTSE 100) gelisteten Unternehmen Frauen sein. Der britische Corporate Governance Kodex soll zukünftig empfehlen, konkrete Ziele für den Anteil von Frauen in den Unternehmen festzulegen und darüber transparent zu berichten. Auch Investoren und Personalberater werden aufgerufen, bei ihrer Tätigkeit auf die Chancengleichheit in den Unternehmen zu achten. Dies geht aus dem unabhängigen Bericht „Women on Boards“ hervor, den eine Kommission im Auftrag der britischen Regierung unter der Leitung von Lord Davies of Abersoch gestern in London vorgestellt hat.

„Auch in Großbritannien ist die Vertretung von Frauen in der Unternehmensspitze viel zu gering“, erklärt FidAR-Präsidentin Monika Schulz-Strelow. „Es ist richtig, den Druck zu erhöhen und verbindliche Ziele einzufordern. Der Bericht von Lord Davies ist aber nur ein Anfang, die Empfehlungen müssen jetzt auch konsequent umgesetzt werden. Allerdings ist es enttäuschend, dass Lord Davies auf eine Selbstverpflichtung ohne jegliche Sanktionen setzt. Die Vorschläge sind eher vorsichtig als radikal.“

Lord Davies schlägt zahlreiche konkrete Maßnahmen vor. Die wichtigsten Punkte:

  • Alle FTSE 350-Unternehmen sollen sich konkrete Ziele für den Anteil von Frauen in den Boards setzen. Bei den FTSE 100 soll die Mindestgrenze bei 25 Prozent liegen. Die Ziele müssen bis September 2011 veröffentlicht und 2013 und 2015 über deren Erreichung berichtet werden.
  • Alle börsennotierten Unternehmen sollen den Frauenanteil in den Boards, Führungspositionen und auf Mitarbeiterebene jährlich veröffentlichen.
  • Der UK Corporate Governance Code soll dahin gehend ergänzt werden, von börsennotierten Unternehmen eine Strategie für mehr Vielfalt in den Boards und messbare Ziele für deren Umsetzung einzufordern. Über deren Erreichung soll jährlich im Corporate Governance Bericht Rechenschaft abgelegt werden.
  • Über die Tätigkeit des Nominierungsausschusses hinsichtlich der Stärkung der Vielfalt soll künftig gesondert berichtet werden. Der Berufungsprozess für Board-Mitglieder und die Vorgehensweise zur Stärkung von Vielfalt sind offenzulegen.
  • Investoren sollen bei der Bewertung von Unternehmen auf die Vielfalt in den Boards achten.
  • Freie Stellen auf der Kontrollseite der Boards sollen regelmäßig öffentlich ausgeschrieben werden, um Frauen den Zugang zu erleichtern.
  • Personalberatungen sollen einen freiwilligen Kodex zur Stärkung von Vielfalt bei Nominierungen von Board-Mitgliedern einführen.
  • Neben Frauen aus Unternehmen sollen gezielt auch Unternehmerinnen, Akademikerinnen, Beamtinnen und Frauen aus dem öffentlichen Sektor für Kontrollgremien gewonnen werden.

Lord Davies machte bei der Vorstellung des Berichts deutlich, dass in den vergangenen 25 Jahren zwar der Anteil berufstätiger Frauen um ein Drittel gestiegen, an der Führungsspitze aber zu wenig passiert sei. 18 der FTSE 100 und fast die Hälfte der FTSE 250-Unternehmen habe keine Frau im Board. Der Anteil liegt im FTSE 100 bei nur 12,5 Prozent. Lord Davies forderte vor diesem Hintergrund einen „radikalen Wechsel in der Einstellung der Unternehmen, damit die notwendigen Ziele erreicht werden können.“ Dabei gehe es ihm nicht allein um Zahlen und um mehr Gleichberechtigung sondern um die Verbesserung der wirtschaftlichen Entwicklung. Es gebe immer mehr Nachweise dafür, dass „gemischte Boards die besseren Boards sind“ und die Ergebnisse der Unternehmen mit gemischter Führungsspitze besser seien.

“Wie der Women-on-Board-Index von FidAR zeigt, sind Frauen in der Führungsspitze börsennotierter Unternehmen nach wie vor eklatant unterrepräsentiert. In Großbritannien gilt dies ebenso wie in Deutschland“, betont Schulz-Strelow. „Die Briten sind gut beraten, den Druck auf die Unternehmen zu erhöhen, transparente Berichtspflichten einzuführen und die Ergebnisse zu überwachen. Dieser Weg zeigt auch in Deutschland erste Erfolge. Solche Empfehlungen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass gesetzlichen Mindestquoten geboten sind, wenn die Unternehmen die Ziele nicht erreichen. Empfehlungen allein sind zahnlose Tiger. Das sehen wir hier seit 10 Jahren.“

Andere europäische Staaten diskutieren aktuell ebenso gesetzliche Maßnahmen beziehungsweise bindende Empfehlungen für die Steigerung des Frauenanteils in der Unternehmensspitze. Im Januar hatte mit Frankreich Deutschlands wichtigster Wirtschaftspartner in der Europäischen Union eine gesetzliche Mindestquote von 40 Prozent Frauen in den Verwaltungsräten bis 2017 eingeführt. In Österreich wird derzeit nach einem Vorstoß von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner über eine Frauenquote von 25 Prozent in Aufsichtsräten staatsnaher Betriebe bis 2013, von 30 Prozent bis 2018 diskutiert. Die österreichische Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek fordert schon seit längerer Zeit eine 25-prozentige Frauenquote in Aufsichtsräten von börsennotierten und staatsnahen Unternehmen. Über eine gesetzliche Quote soll in Österreich allerdings erst im Jahr 2014 nachgedacht werden, wenn die Selbstverpflichtung der Wirtschaft nicht zu Ergebnissen führen sollte.

Nach dem in der vergangenen Woche in Berlin vorgestellten WoB-Index sind in den Aufsichtsräten und Vorständen der DAX, MDAX, SDAX und TecDAX-Unternehmen in Deutschland insgesamt im Mittel lediglich 6,5 Prozent Frauen vertreten. In den Aufsichtsräten liegt die Quote bei 10 Prozent, in den Vorständen bei nur 3 Prozent. 74 der 160 DAX, MDAX, SDAX und TecDAX-Unternehmen haben weder im Aufsichtsrat noch im Vorstand eine Frau. Der gemeinsam mit dem Medienpartner manager magazin vorgestellte WoB-Index ist das erste Ranking börsennotierter Unternehmen auf der Basis des Frauenanteils in der Führungsspitze.

Der WoB -Index kann im Internet unter www.fidar.de/wob-index eingesehen werden.


Weiterführende Dateien:
PM_110225_UK_Lord_Davies_Report_end.pdf46 K