In Aufsichtsrägen und Vorständen der DAX-Konzerne fehlen mindestens 400 Frauen
FIDAR FORDERT KLARE ZEITVORGABEN FÜR MEHR GLEICHBERECHTIGUNG IN FÜHRUNGSPOSITIONEN
- FidAR begrüßt Vorstoß der EU-Kommission für Frauenquote im Grünbuch zur Unternehmensführung
- FidAR-Präsidentin Schulz-Strelow: „WoB-Ranking macht den Handlungsbedarf noch deutlicher“
- Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger: „Der Corporate Governance Kodex wirkt.“
- Bundesarbeitsministerin von der Leyen: „Das Ziel bleibt ein Frauenanteil von 30 Prozent bis 2018.“
- FidAR Forum III in Berlin diskutiert Wege hin zu mehr Chancengleichheit in der Wirtschaft
Berlin, 04.04.2011: Der Druck auf die Wirtschaft wächst massiv, mehr Frauen in Führungspositionen zu berufen. Am morgigen Dienstag legt die Europäische Kommission ein Grünbuch zur Corporate Governance vor, in dem eine Frauenquote für Aufsichtsräte vorgeschlagen wird. Bereits zuvor hatte die Kommission gesetzliche Regelungen angekündigt, wenn bis März 2012 keine substanziellen Änderungen erfolgt sind. Die Bundesregierung setzt derzeit noch auf freiwillige Maßnahmen der Unternehmen bis 2013. Sind diese nicht erfolgreich, soll eine gesetzliche Pflicht zur Selbstverpflichtung kommen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf des Bundesfamilienministeriums soll noch in diesem Jahr ins Kabinett eingebracht werden. Allerdings lehnen die DAX 30-Unternehmen selbst die hier vorgesehen, eher zurückhaltenden Forderungen größtenteils ab. Die aktuellen Zahlen zeigen aber, dass sich die Unternehmen deutlich bewegen müssen: Aktuell fehlen nach dem Women-on-Board-Index von FidAR in Aufsichtsräten und Vorständen der DAX-Unternehmen je nach Ansatz zwischen 391 (bei 25 Prozent Quote) und 737 (bei 40 Prozent Quote) zusätzliche Frauen. Im Rahmen des FidAR-Forum III diskutieren heute über 350 hochrangige Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Politik über Wege, den Frauenanteil in den Unternehmen effektiv zu steigern, und reflektieren die Ergebnisse des Spitzentreffens der Bundesregierung mit Vorständen der DAX 30-Unternehmen vom 30.03.2011. Die Veranstaltung wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
„10 Jahre freiwillige Selbstverpflichtung waren eher 10 Jahre freiwillige Selbstverteidigung mit hohem Beharrungsvermögen. Jetzt schlägt die Stunde der Wahrheit. Wir begrüßen, dass die EU-Kommission eine Frauenquote für Aufsichtsräte mittels einer Richtlinie durchsetzen will. Denn wir brauchen eine verbindliche gesetzliche Regelung, damit sich die Unternehmen wirklich bewegen. Mit dem WoB-Index macht FidAR die Entwicklung transparent“, erklärt Monika Schulz-Strelow, Präsidentin von FidAR, zur Eröffnung des dritten FidAR-Forums. „Mehr Frauen heißt bessere Unternehmensführung und höhere Renditechancen. Dies ist keine Frage des Zeitgeists, sondern eine ökonomische Notwendigkeit. Das Grundgesetz fordert eindeutig, dass der Staat die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirkt. Die DAX 30 haben eine große Chance verpasst, indem sie die Vorschläge des Bundesfamilienministeriums in Teilen ablehnen. Die Frist bis März 2012 läuft. Spätestens dann wird die Europäische Kommission handeln.“
Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder hatte im Rahmen des Spitzengesprächs am vergangenen Mittwoch einen Stufenplan zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen vorgelegt. Danach könnte nur eine Verdreifachung des Frauenanteils auf durchschnittlich 30 Prozent in Aufsichtsräten und 9 Prozent in Vorständen der börsennotierten und voll mitbestimmten Unternehmen bis 2013 das Inkrafttreten ihres Flexi-Quoten-Gesetzes noch verhindern. Die „Flexi-Quote“ verpflichtet die Unternehmen, sich konkrete Zielvorgaben zu setzen und diese auch einzuhalten.
Der Deutsche Corporate Governance Kodex enthält bereits seit Mai 2010 die Empfehlung, bei der Berufung von Aufsichtsräten und Vorständen auf eine angemessene Berücksichtigung von Frauen zu achten. „Jahr für Jahr müssen die Unternehmen berichten, wie sie die Empfehlungen zur besseren Frauenbeteiligung umsetzen“, betont die Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser- Schnarrenberger. „Die Wirtschaft hat jetzt die letzte Chance, die bessere Frauenbeteiligung durch Selbstregulierung zu erreichen. Und ich glaube auch, dass die Wirtschaft dieses Ziel erreichen kann. Allen Beteiligten muss klar sein: Wenn den ersten positiven Signalen jetzt nicht deutliche Taten folgen, wird der Gesetzgeber handeln. Das Damoklesschwert eines Gesetzes mit verbindlichen Vorgaben schwebt also weiter über den Unternehmen. Ich setze zuallererst auf Selbstregulierung. Das ist der bessere Weg als staatlicher Zwang. Wenn der bessere Weg nicht zum Ziel führt, werden wir den schlechteren beschreiten. Wenn die Selbstregulierung versagt, wird auch der Gesetzgeber handeln.“
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen ist nach wie vor von der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung überzeugt. „Nach zehn Jahren Selbstverpflichtung der Wirtschaft ist die Bilanz beim Thema Frauen in Führungspositionen ernüchternd. Unsere Nachbarländer handeln. Wenn Deutschland nicht schnell deutlich besser wird, verlieren wir mitten im Fachkräftemangel den Wettbewerb um die klügsten weiblichen Köpfe. Der deutsche Mittelstand macht den großen börsennotierten Unternehmen bereits vor, dass es geht. Wir sind uns in der Bundesregierung einig, dass der Anteil an Frauen in Führungspositionen in Großunternehmen zügig steigen muss. Ich möchte von den Unternehmen konkrete Ziele, Strategien und Zeitleisten sehen, wann sie substanzielle Veränderungen erreichen wollen. Für mich bleibt das Ziel eines Frauenanteils von 30 Prozent bis 2018 - und das nicht nur in der Breite, sondern auch in der Spitze.“
Nach dem aktuellen Women-on-Board-Index (Stand 30.03.2011) von FidAR haben sich seit Jahresbeginn nur marginale Änderungen ergeben. Nach wie vor sind Frauen in den Aufsichtsräten und Vorständen der 160 DAX, MDAX, SDAX und TecDAX-Unternehmen eklatant unterrepräsentiert (www.fidar.de/wob-index). In den Aufsichtsräten liegt der Frauenanteil bei 10 Prozent, in den Vorständen bei nur 3 Prozent. Allerdings stellt die Arbeitnehmerseite deutlich mehr Frauen in den Aufsichtsräten. Auf der Anteilseignerseite liegt der Frauenanteil ebenfalls bei nur 3 Prozent. Lediglich die Daimler AG und die MVV Energie AG konnten sich seit Januar im Ranking durch die Berufung von Frauen deutlich verbessern. „Die erfreulichen Nominierungen von Frauen in den letzten Wochen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit sich noch kaum bewegt“, so Schulz-Strelow. „74 der 160 DAX-Unternehmen haben aktuell weder im Aufsichtsrat noch im Vorstand eine Frau. Das Ranking bedarf keiner Analyse. Wir lassen Zahlen sprechen.“
Der WoB-Index wird unangefochten vom Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK SE angeführt. „Wir haben für Aufsichtsrat und Vorstand stets nach den Besten gesucht und haben dabei immer wieder Frauen gefunden“, erklärt der Aufsichtsratsvorsitzende der GfK SE, Dr. Arno Mahlert, beim FidARForum. Das Argument, für eine angemessene Berücksichtigung von Frauen fehlten entsprechend qualifizierte Kandidatinnen, hält er für zu pauschal vorgeschoben: "Es mag immer mal Situationen geben, in denen das der Fall ist, deshalb bin ich gegen starre Quoten. Aber insgesamt liegt ein großes Potenzial an hoch talentierten Frauen brach. Wer sich bemüht, wird meistens keine Probleme haben, qualifizierte Frauen für Führungspositionen zu gewinnen. Das zeigt unsere Erfahrung eindeutig."
- Weiterführende Dateien:
- PM_110404_FidAR-Forum-III_2_end.pdf84 K