Latest News, Presse über FidAR

Druck ist die Antwort auf Zielgröße NULL

Neue Dynamik für gleichberechtigte Teilhabe durch konsequente gesetzliche Vorgaben


Monika Schulz-Strelow

BOARD - Zeitschrift für Aufsichtsräte in Deutschland vom 16.08.2021 Artikel zum download

Neue Dynamik für gleichberechtigte Teilhabe durch konsequente gesetzliche Vorgaben

III. Kaum weitere Bewegung in den Aufsichtsräten
Auch in den Aufsichtsräten setzt sich der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre nicht fort. In den 186 im aktuellen WoB-Index untersuchten Unternehmen liegt der Frauenanteil in den Aufsichtsräten bei 33,2 % (+1); bei den aktuell 106 unter die Quote fallenden Unternehmen bei 35,9 % (+0,7); die aktuell 80 Unternehmen im DAX-Segment, die nicht der Quote unterliegen, verzeichnen mit 24,5 % (+1,7) zwar einen leicht höheren Anstieg, bleiben aber weit von der 30-%-Marke entfernt.

Bei sieben Konzernen ist der Frauenanteil im Kontrollgremium seit 2015 sogar rückläufig: adidas (31,25 %), Deutsche Bank (30 %), QIAGEN (25 %), Telefónica (25 %), New Work (16,7 %), Software (16,7 %) und LPKF (0 %).

Weiterhin liegen die aktuell 80 nicht der Quote unterliegenden DAX-, MDAX- und SDAX-Unternehmen mit einem durchschnittlichen Frauenanteil im Aufsichtsrat von 24,5 % weit hinter den 106 Quotenunternehmen mit jetzt 35,9 % Frauen zurück. Das gilt nicht nur für den Frauenanteil insgesamt, sondern auch für die wichtigsten Ausschüsse der Aufsichtsräte, wo der Anteil an Frauen deutlich unter der durchschnittlichen Quote im Kontrollgremium liegt. Auch die von den Quotenunternehmen definierten Zielgrößen sind ambitionierter als die der Nicht-Quotenunternehmen.

IV. Trotz leichtem Abstieg Frauenanteil in den Vorständen auf niedrigem Niveau
Während sich die Zuwachsrate beim Frauenanteil in den Aufsichtsräten im vergangenen Jahr verlangsamt hat, steigt der Frauenanteil in den Vorständen der 186 untersuchten Unternehmen stärker als in den Vorjahren - allerdings ausgehend von einem weiterhin sehr niedrigen Niveau. Seit Januar 2015 - vor Inkrafttreten des FüPoG am 1. Mai 2015 - stieg der Anteil von seinerzeit geringen 5 % auf nunmehr 13 %. In den Vorständen der aktuell 106 börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen hat sich der Anteil von 4,9 % im Januar 2015 auf jetzt 14,1 % fast verdreifacht. Immer deutlicher fallen dagegen die nicht der Quote unterliegenden Unternehmen zurück. Hier wurde beim Durchschnittswert zwar erstmals die 10-Prozent-Marke überschritten, dennoch beträgt der Männeranteil in der Führungsetage noch knapp 89 %.

Mehrere Faktoren dürften diese Zuwächse beeinflusst haben: Der öffentliche Druck auf Unternehmen mit frauenfreier Chefetage ist merklich gestiegen. Die Aussagen der Konzerne, Diversität in Führungspositionen und hier insbesondere mehr Frauen seien strategische Ziele, verloren mit den Planungen mit Zielgröße Null ihre Glaubhaftigkeit. Die Aufsichtsräte, die die Zielgrößen für die Vorstandsebene verabschieden und im Geschäftsbericht veröffentlichen, sahen sich einer breiten Kritik durch die Medien, aber auch von Seiten der Politik und von Verbänden ausgesetzt.


V. Erste Wirkungen durch das Mindestbeteiligungsgebot
Das mit dem FüPoG II eingeführte Mindestbeteiligungsgebot dürfte für weiter steigende Zahlen beim Frauenanteil in den Vorständen sorgen. Von den 106 börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen, die mehr als drei Vorstandsmitglieder haben, unterliegen 66 - wie vorher erwähnt - dem gesetzlichen Mindestbeteiligungsgebot. 24 (36,4 %) der dem Mindestbeteiligungsgebot unterliegenden Unternehmen haben aktuell keine Frau im Vorstand - die Hälfte dieser 24 Unternehmen (12/50 %) ohne Frau im Vorstand hat für die Chefetage derzeit Zielgröße Null festgelegt. Diesen Unternehmen gilt künftig unsere besondere Aufmerksamkeit.

Bemerkenswert ist, dass seit Bekanntgabe der Gesetzesentwürfe für ein Mindestbeteiligungsgebot schon sieben Konzerne eine Frau in den Vorstand berufen haben. Eine ähnliche Entwicklung war bereits im Rahmen der Einführung der Aufsichtsratsquote zu beobachten. Bereits die Diskussion über die neuen gesetzlichen Vorgaben im Vorfeld führte dazu, dass der Frauenanteil in den Aufsichtsräten signifikant zunahm. Damit müssen nur noch zwei DAX-30-Konzerne, die unter die Mindestbeteiligung fallen, eine Frau für die Führungsetage benennen: HeidelbergCement und MTU. HeidelbergCement hat bereits angekündigt, im Herbst eine Frau in den Vorstand zu berufen. Darüber hinaus haben jedoch auch die DAX-30-Mitglieder Delivery Hero, Deutsche Wohnen und Linde keine Frau im Vorstand - sie fallen aber nicht unter die Regelung, weil sie weniger als vier Vorstandsmitglieder haben bzw. nicht paritätisch mitbestimmt sind.

VI. Fazit
Das FüPo-Gesetz II bringt weitere Bewegung in die Diskussion um die gleichberechtigte Teilhabe. Der Affront der Festsetzung der Zielgröße Null für die Vorstände hatte Folgen: Mit dem Mindestbeteiligungsgebot für Vorstände werden nun die Veränderungen forciert, zu denen viele Unternehmen auf der Grundlage der Zielgrößenpflicht ohne signifikante Sanktionen nicht bereit waren.

Die Verantwortung dafür liegt zu einem großen Teil bei den Aufsichtsräten, die die selbst festgelegten Zielgrößen umzusetzen hatten. An der mangelnden Veränderungsbereitschaft ist die freiwillige Selbstverpflichtung ein weiteres Mal gescheitert. Zwar ist die Zahl der mit Zielgröße Null planenden Unternehmen auf 62 gesunken. Dennoch halten damit weiterhin vier von 10 Unternehmen einen frauenfreien Vorstand für angemessen - das kann nicht der Anspruch an eine moderne Corporate Governance sein.

Die Untersuchungen von FidAR im WoB-Index machen aber auch deutlich, dass nur Gesetze echte Veränderungen bewirken. Das 2015 verabschiedete FüPoG hat den Frauenanteil in den Kontrollgremien zumindest bei den 106 der festen Quote für die Aufsichtsräte unterliegenden Unternehmen nachweislich erhöht - aber nicht über den engen Rahmen dieser kleinen Pilotgruppe hinaus. Es fehlt aufgrund der geringen Anzahl von betroffenen Unternehmen die notwendige Breitenwirkung. Das Mindestbeteiligungsgebot erhöht bereits das Tempo bei den Vorstandsbesetzungen, bevor es in Kraft getreten ist. Allerdings ist auch hier lediglich eine geringe Anzahl von 66 Unternehmen betroffen, von denen nur 24 Handlungsbedarf haben. Wichtig wird die Ausgestaltung der Sanktionsmechanismen für die Nichtumsetzung der Zielgrößenvorgaben.

Um die Veränderungsbereitschaft hin zu mehr gleichberechtigter Teilhabe zu erhöhen, sollte daher die Ausweitung der Aufsichtsratsquote auf alle börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen auf der Agenda bleiben. Sie ist der gesetzliche Hebel, mit dem bislang die größte Breitenwirkung erzielt wurde. Zumal nach einer aktuellen Studie von Russell Reynolds immer mehr DAX-Konzerne die Mitbestimmung aushebeln und sich damit der Frauenquote und dem Mindestbeteiligungsgebot entziehen.

Da leider nur erhöhter Druck Veränderung auslöst, war es wieder höchste Zeit, die gesetzlichen Schrauben anzuziehen und die Wirkung auszuweiten. Nur auf Einsicht der Unternehmen zu hoffen bringt keine Veränderung. Daher gilt für die Arbeit von FidAR: weiter gemeinsamer Einsatz auf dem Weg zur Chancengerechtigkeit. Wir wollen Deutschland nicht mehr auf den hinteren Plätzen in Europa sehen.