Lohngleichheit nicht nur auf dem Papier. Das verlangten Aktivistinnen 2019 bei einem Frauenstreik in Bern. Dafür verpassten sie einer Statue Lippen aus Papier.

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Als sie ihre deutsche Kollegin 2017 kennenlernte, sei sie noch skeptisch gewesen, sagt Martha Schultz. Damals hielt Monika Schulz-Strelow eine leidenschaftliche Rede pro Frauenquote für Aufsichtsrats- und Vorstandspositionen. Den Argumenten der deutschen Vereinsvorsitzenden von "Frauen in die Aufsichtsräte" habe sie viel abgewinnen können, sagt Schultz – dennoch hätte sie damals auf die Kraft der Überzeugung, der Vernunft der Männer und Freiwilligkeit gesetzt. Heute bezeichnet sich die Vizevorsitzende der Wirtschaftskammer (WKO) und Vorsitzende von "Frau in der Wirtschaft" als "geläutert": "Es geht nicht anders. Freiwillig passiert wenig bis gar nichts."

Verpflichtung und Konsequenzen

Schultz und Schulz haben einander in der vergangenen Woche in Berlin wiedergetroffen – und beschlossen, künftig enger zusammenzuarbeiten. Martha Schultz, die auch Vorsitzende des Frauennetzwerks der Eurochambres ist, will das Thema auf die europäische Ebene heben: "Es muss eine Verpflichtung und Konsequenzen geben, wenn weibliche Kandidatinnen für Führungspositionen weiterhin ignoriert werden."

Anfang 2021 wurden laut Statistik Austria neun Prozent der Positionen in den Geschäftsführungen und 23,5 Prozent der Aufsichtsratsposten bei den 200 umsatzstärksten Unternehmen in Österreich von Frauen besetzt – obwohl sich Österreichs Regierung 2011 verpflichtet hatte, 2018 einen Zielwert von 35 Prozent Frauen in Aufsichtsratspositionen zu erreichen.

Dreißig Prozent

Martha Schultz schwebt eine verpflichtende Quote von 30 Prozent, sowohl für Aufsichtsrats- als auch für Vorstandspositionen vor. "Das bildet in etwa auch die Repräsentanz von Frauen als Wirtschaftstreibende ab." Rund 35 Prozent aller Unternehmen in Österreich werden von Frauen geführt. Schultz ist optimistisch, dafür rasch auch ausreichend Unterstützung in den eigenen (Wirtschaft-)Reihen zu bekommen, denn: Allein "Frau in der Wirtschaft" hat, nicht zuletzt dank Pflichtmitgliedschaft in der WKO, 130.000 Mitglieder.

Ungleich schwerer tut frau sich da vergleichsweise in Deutschland. Der Verband deutscher Unternehmerinnen – Pendant zur "Frau in der Wirtschaft" – hat bescheidene 1.800 Mitglieder. In Deutschland ist man in Verbänden organisiert, allein 21 Frauenverbände mussten für die "Berliner Deklaration" mit der Forderung nach verpflichtenden Frauenquoten unter einen Hut gebracht werden.

Zu langsam

Die Frauenquote für Aufsichtsrats- und Vorstandspositionen börsennotierter Unternehmen in Deutschland habe schon etwas verändert, sagt Schulz-Strelow, die Initiatorin der Fraueninitiative, zum STANDARD. Doch auch dort geht es zu langsam voran. Das liegt einerseits daran, dass zu wenige Unternehmen von den Vorgaben des Gesetzes betroffen sind, andererseits, gesteht Schulz-Strelow ein: "Es ist uns noch nicht gelungen, die Kultur nachhaltig zu ändern."

Sie rät, dass Frauen ihre "Marktmacht" besser nützen sollten und den erfolgreichen "Zalando-Boykott" ins Treffen. Da sich der Online-Modehändler lange geweigert hatte, eine "Zielgröße" für Frauen in Führungspositionen festzusetzen, half ein breitflächiger Boykott 2019 dabei, diese Position aufzuweichen. Das Unternehmen will nun doch Frauen, auch in den Vorstandsetagen, fördern.

Marktsondierung

Zu diesen und anderen Themen tauschte man sich in Berlin aus. Schultz war mit 35 österreichischen Unternehmerinnen zu Marktsondierungsgesprächen angereist. Die Probleme im Gefolge der Corona-Pandemie sind ähnlich: zu schleppend anlaufendes Geschäft, Lieferengpässe, Personalnot. Dazu kommt, dass sich Unternehmerinnen derzeit nicht freistellen lassen können, wenn sie an Covid-19 erkrankte Angehörige pflegen müssen. Hier fordert Schultz eine Gleichstellung mit Arbeitnehmerinnen: "Das trifft vor allem viele Einpersonenunternehmen. Die brauchen dringend Betriebshilfe, wenn jemand in der Familie erkrankt ist." (Petra Stuiber, 25.10.2021)