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Druck zeigt Wirkung

BOARD - Zeitschrift für Aufsichtsräte in Deutschland, 22.06.2023


Druck zeigt Wirkung

Anja Seng

Die Frauenquote im Vorstand ist fast vollständig umgesetzt

Prof. Dr. Anja Seng, Präsidentin FidAR - Frauen in die Aufsichtsräte e.V., Berlin;

Monika Schulz-Strelow

Monika Schulz-Strelow, Projektleitung Studien, Gründungspräsidentin FidAR - Frauen in die Aufsichtsräte e.V., Berlin

Wer hätte das gedacht? Vor zwei Jahren hieß es noch aus der Wirtschaft, eine Frauenquote für Vorstände sei ein völlig übertriebener Eingriff in die Unternehmensfreiheit. Und im Mai 2023, nicht mal ein Jahr nach Inkrafttreten des sogenannten Mindestbeteiligungsgebots, haben fast alle Börsenunternehmen in Deutschland, die nach der Regelung mindestens eine Frau im Vorstand haben müssen, das geforderte Quorum erreicht. Mit der Bestellung von Frauen in die Vorstände von Sartorius und KION Group ab dem 1. Mai 2023 haben nur noch vier der 63 Konzerne, die aktuell unter das Mindestbeteiligungsgebot fallen, keine Frau im Vorstand. Bei diesen Unternehmen besteht daher Handlungsbedarf: Indus Holding, Koenig & Bauer, Vitesco Technologies Group und Wüstenrot & Württembergische. Das zeigt die laufende Untersuchung zum Women-on-Board-Index von FidAR.

Inhalt

- I. Einführung
- II. Versprechen der Großen Koalition
- III. Geschlechterquoten für Führungsorgane sind der richtige Weg
- IV. Fazit: Künftig mehr Unternehmen einbeziehen

Keywords
Frauenquote; FüPoG II; Mindestbeteiligungsgebot

I. Einführung
Nach dem mit dem zweiten Führungspositionengesetz (FüPoG II) eingeführten Mindestbeteiligungsgebot sind börsennotierte, paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern bei Neubestellungen verpflichtet, mindestens eine Frau ins Gremium zu bestellen. Unter die seit 1. August 2022 geltende Regelung fallen derzeit 63 Konzerne aus DAX, MDAX, SDAX und Reguliertem Markt.

Beim DAX-40-Konzern Sartorius ist mit der Bestellung von Dr. Alexandra Gatzemeyer erstmals eine Frau in die Vorstandsetage eingezogen. Sie leitet die Sparte Lab Products & Services. Bei der im MDAX notierten KION Group übernahm Valeria Gargiulo am 1. Mai 2023 die neu geschaffene Position des Chief People and Sustainability Officer (CPSO). Sie ist allerdings nicht die erste Frau im Vorstand des Konzerns, Finanzvorständin Anke Groth war im März 2022 ausgeschieden.

II. Versprechen der Großen Koalition
Das Mindestbeteiligungsgebot war eine der zentralen Neuerungen des am 11. Juni 2021 im Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG II). Mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt am 11. August 2021 trat das Gesetz in Kraft.

Die betroffenen Unternehmen reagierten aber bereits im Vorfeld auf die Regelung. Im Zuge der Diskussion um die Gesetzesinitiative zum FüPoG II im Oktober 2020 beriefen bereits mehrere Unternehmen mit bislang frauenfreier Vorstandsetage größtenteils zum ersten Mal eine Frau in den Vorstand. Das erinnert an die Entwicklung beim ersten Führungspositionengesetz, bei dem bereits vor Inkrafttreten am 1. Mai 2015 vermehrt die unter das Gesetz fallenden börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Konzerne zusätzliche Frauen in die Aufsichtsgremien wählen ließen.

Mit dem Führungspositionengesetz II hat der Gesetzgeber den Fokus bei der Stärkung der gleichberechtigten Teilhabe neben den Aufsichtsgremien stärker auf die Unternehmensvorstände gelenkt. Denn das Engagement der Unternehmen bei der Erhöhung des Frauenanteils in den Chefetagen blieb nicht nur weit hinter den Erwartungen zurück. Vielmehr hatten sich viel zu viele Unternehmen mit frauenfreiem Vorstand Zielgröße Null gesetzt - planten also weiter ohne Frauen an der Führungsspitze. Neben dem Mindestbeteiligungsgebot wurde daher im FüPoG II auch eine Begründungspflicht für Zielgröße Null mit empfindlichen Sanktionen bei Nichterfüllung der Vorgaben beschlossen und damit der Druck erhöht, mehr Frauen in die Vorstände zu berufen.

Der Zuwachs des Frauenanteils in den Vorständen hat sich im Zuge der Diskussion um das FüPoG II merklich beschleunigt. Waren im Frühjahr 2015 vor Inkrafttreten des FüPoG I nur 5 % Frauen in den Vorständen der 183 untersuchten Unternehmen vertreten, hat sich die Zahl seither mehr als verdreifacht. Das verdeutlicht die Wirkung fester Quoten, auf deren Druck die Unternehmen offensichtlich mehr gleichberechtigte Teilhabe umsetzen.


III. Geschlechterquoten für Führungsorgane sind der richtige Weg
Wenn man die scharfe Kritik am Mindestbeteiligungsgebot bedenkt, ist man positiv überrascht, wie schnell und geräuschlos die Vorgabe umgesetzt wurde. Die Praxis zeigt deutlich: Es gibt genügend qualifizierte Frauen für Spitzenfunktionen der Wirtschaft. Mittlerweile haben schon 14 der von FidAR im WoB-Index untersuchten Unternehmen einen paritätisch besetzten Vorstand. Das Ziel bleibt mittelfristig eine paritätische Besetzung aller Führungsgremien.

Zum Jahreswechsel 2022/2023 war der Frauenanteil in den Vorständen der 183 im DAX, MDAX und SDAX sowie der im Regulierten Markt notierten, paritätisch mitbestimmten Unternehmen, die FidAR regelmäßig im WoB-Index untersucht, auf 15,3 % gestiegen (2021: 13 %). Die DAX-40-Konzerne erreichten mit 21,5 % Vorstandsfrauen den Spitzenwert. Zu Beginn der Untersuchungen von FidAR im Januar 2011 lag der durchschnittliche Frauenanteil in den Konzernvorständen noch bei 3 %, in den seinerzeitigen DAX-30-Konzernen sogar bei nur 2,2 %.

IV. Fazit: Künftig mehr Unternehmen einbeziehen
Festzuhalten ist, dass das Mindestbeteiligungsgebot nur für eine sehr geringe Zahl von 63 Unternehmen gilt. Kein Vorstand eines börsennotierten Unternehmens sollte frauenfrei sein. Dies sollte ein selbstbestimmtes Ziel der Unternehmen werden. Doch nach bisherigen Erfahrungen mit freiwilliger Selbstbestimmung werden weitere verbindliche Regelungen erforderlich sein, um das Ziel zu erreichen. Dafür müssten der Geltungsbereich der Aufsichtsratsquote über die derzeit 103 börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen und der Wirkungsbereich des Mindestbeteiligungsgebots für Vorstände über die aktuell 63 betroffenen Unternehmen hinaus ausgeweitet werden. Außerdem sollten die im FüPoG II festgelegten Sanktionen beim Verstoß gegen die Zielgrößen konsequent erfolgen. Denn angekündigte Maßnahmen verlieren ihre Wirkkraft, wenn sie nicht umgesetzt werden.

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